Körperschaftsteuerliche Organschaft bei atypischer Beteiligung

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 15.07.2020 (I R 33/18) zu der Frage Stellung genommen, ob eine atypisch stille Beteiligung eine körperschaftliche Organschaft begründen kann.

Sachverhalt im Besprechungsfall

Zwischen den beiden Klägerinnen, A-GmbH und B-GmbH, bestand ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag (EAV), wonach sich die Geschäftsführung der A-GmbH dem Weisungsrecht der B-GmbH unterwarf und sie sich zur Abführung ihres gesamten, nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Ergebnisses verpflichtete. Es bestand zudem ein Vertrag, nach welchem die B-GmbH sich am Betrieb der A-GmbH als stille Gesellschafterin mit einer Kapitaleinlage beteiligte. Dabei stand u.a. die Führung der Geschäfte allein der A-GmbH zu. Die stille Gesellschafterin war an deren Entscheidungen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften für einen Kommanditisten beteiligt. Am Gewinn und Verlust sowie am Vermögen der A-GmbH war die B-GmbH mit 10 % beteiligt, ebenso an den stillen Reserven im Fall einer Auflösung der stillen Gesellschaft. Das Finanzamt (FA) ging davon aus, dass durch den Vertrag eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft in Gestalt einer atypisch stillen Gesellschaft („GmbH und Still“) entstanden war. Für diese Mitunternehmerschaft wurden Feststellungserklärungen abgegeben. Die laufenden Einkünfte wurden nach dem Schlüssel 90 zu 10 auf die beiden GmbHs verteilt. Bei der B-GmbH wurden zudem Ergebnisse aus Ergänzungsbilanzen sowie Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erfasst. Das FA akzeptierte die Gewinnabführung allerdings nicht. Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieben erfolglos, der BFH sah dies anders.

Organschaft

Der BFH bestätigte die Ansicht der Beteiligten, dass die atypisch stille Beteiligung zu einer Mitunternehmerschaft führt, die nach den entsprechenden Grundsätzen zu besteuern ist. Wegen der finanziellen Eingliederung der A-GmbH und des wirksamen EAV zwischen den beiden Kapitalgesellschaften waren grundsätzlich die wesentlichen Grundlagen für eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft gelegt. Allerdings ging das FG davon aus, dass die atypisch stille Beteiligung des vermeintlichen Organträgers (B-GmbH) am Handelsgewerbe der vermeintlichen Organgesellschaft (A-GmbH) und die damit verbundene anteilige Gewinnzurechnung an den Mitunternehmer dazu führt, dass keine Abführung des „ganzen Gewinns“ mehr erfolgen kann. Es hat daher die Organschaft nicht anerkannt und die gleichwohl vollzogene Gewinnabführung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) der vermeintlichen Organgesellschaft an die vermeintliche Organträgerin qualifiziert.

Zwar ist dies auch nach Ansicht des BFH grundsätzlich zutreffend. Allerdings ist aber auch über die Frage des Ob und ggf. der Höhe einer vGA im Rahmen der Besteuerung der Kapitalgesellschaft zu entscheiden. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft beteiligt und die Frage nach dem Vorliegen einer vGA untrennbar mit der Höhe ihres Gewinnanteils an der Personengesellschaft verbunden ist. In diesem Fall wäre die vGA in die Gewinnfeststellung der Personengesellschaft einzubeziehen.

Hier keine Ausnahme gegeben

Im Besprechungsfall kommt diese Ausnahme nach Ansicht des BFH nicht zum Tragen. Auf Seiten der (vermeintlichen) Organgesellschaft hat eine durch Nichtanerkennung der Organschaft ausgelöste vGA keine Auswirkungen auf ihren Anteil an den gemeinschaftlich erzielten Einkünften. Dass die von der Organschaftsanerkennung abhängige Frage der „Selbstversteuerungspflicht“ der Organgesellschaft für das von ihr erzielte Einkommen die Sphäre der gemeinschaftlichen, also in der Mitunternehmerschaft erzielten Einkünfte nicht berührt, zeigt bereits das folgende einfache Beispiel: Erzielt die Mitunternehmerschaft einen Gewinn von beispielsweise 100.000 €, der – wie auch im Streitfall geschehen – nach dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Schlüssel von 90 zu 10 aufzuteilen ist, dann sind der (vermeintlichen) Organgesellschaft als feststellungsbeteiligter Mitunternehmerin 90.000 € und dem (vermeintlichen) Organträger 10.000 € als Gewinnanteile zuzuweisen. Ob der Gewinnanteil von 90.000 € von der (vermeintlichen) Organgesellschaft wegen der Einkommenszurechnung nicht (Anerkennung der Organschaft) oder wegen der Einkommenserhöhung selbst zu versteuern ist (Nichtanerkennung der Organschaft), hat mit den gemeinschaftlich erzielten Einkünften, mit deren Höhe und deren Verteilung ersichtlich nichts zu tun. Die Tatbestandsmerkmale der Organschaft gehören nicht zum Bereich der gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale, sondern zu den persönlich vom jeweiligen Mitunternehmer verwirklichten Tatbestandsmerkmalen. Auf Seiten des Organträgers kann sich der etwaige Ansatz einer vGA, die sich aus der (streitigen) Nichtanerkennung der Organschaft ergeben könnte, ebenfalls nicht auf die Höhe der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte und seinen Anteil hieran auswirken. Denn im Streitfall besteht die Besonderheit, dass eine aus der Nichtanerkennung der Organschaft folgende und zu Sonderbetriebseinnahmen führende vGA aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr im Feststellungsbescheid für die Mitunternehmerschaft erfasst werden darf. Dies folgt für den BFH daraus, dass das FA keine Feststellung zu Sonderbetriebseinnahmen der B-GmbH in den angegriffenen Feststellungsbescheiden getroffen hat und die GmbHs diesbezüglich auch keinen Rechtsbehelf eingelegt haben (Eintritt der Teilbestandskraft). Zudem steht das finanzgerichtliche Verböserungsverbot einer erstmaligen Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen bei der B-GmbH entgegen.

Damit bleibt es bei der im ursprünglichen Feststellungsbescheid getroffenen Regelung, wonach der B-GmbH ein 10-%-Anteil an den gemeinschaftlich erzielten Einkünften sowie Einkünfte gemäß ihrer Ergänzungsbilanz und Tätigkeitsvergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage zugewiesen wurden.

Praxishinweis

Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine bisherigen Grundsätze zur Organschaft im Zusammenhang mit einer atypischen Gesellschaft bestätigt: Zwar führt die Nichtanerkennung der Organschaft zum Ansatz einer vGA, wenn die (vermeintliche) Organgesellschaft ihrer unternehmensvertraglichen Pflicht zur Gewinnabführung im Einzelfall nachgekommen ist. Dabei ist aber auch über die Frage des Ob und ggf. der Höhe einer vGA grundsätzlich im Rahmen der Besteuerung der Kapitalgesellschaft zu entscheiden. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft beteiligt und die Frage nach dem Vorliegen einer vGA untrennbar mit der Höhe ihres Gewinnanteils an der Personengesellschaft verbunden ist. In diesem Fall ist die vGA in die Gewinnfeststellung der Personengesellschaft einzubeziehen.

 

RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

Rechtsprechung

  • BFH Urteil I R 33/18 v. 15. 7. 2020