Pfändung der Corona-Soforthilfe durch das Finanzamt

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung vom 09.07.2020 (VII S 23/20 (AdV)) dazu Stellung genommen, ob die Corona-Soforthilfe pfändbar ist.

Sachverhalt im Besprechungsfall

A betreibt einen Hausmeisterservice und unterhält ein als Pfändungsschutzkonto geführtes Konto bei der Sparkasse. Bezüglich dieses Kontos hatte das Finanzamt (FA) im April 2019 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung wegen rückständiger Umsatzsteuern erlassen, die der Sparkasse entsprechend zugestellt wurde. Mit der Drittschuldnererklärung erklärte die Sparkasse u.a., dass das Konto kein pfändbares Guthaben ausweise und vorrangige Pfändungen vorlägen. Die Bezirksregierung bewilligte etwa ein Jahr nach der Pfändung A einen Billigkeitszuschuss i.V.m. dem Programm zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmer und Selbständige“ und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ eine Soforthilfe i.H.v. 9.000 € als einmalige Pauschale. Der entsprechende Betrag wurde im April 2020 auf dem Konto des A gutgeschrieben. Nachdem sich die Sparkasse weigerte, ihm den Betrag auszuzahlen, beantragte A schriftlich beim FA die Freigabe der Corona-Soforthilfe. Das FA lehnte den Antrag auf vollständige Freigabe ab. Daraufhin beantragte A beim Finanzgericht (FG) die Freigabe der Soforthilfe. Das FG gab dem Antrag statt, das FA legte dagegen Rechtsmittel beim BFH ein, der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dem FG folgte.

Pfändungsfreie Mittel

Gemäß § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung nur pfändbar, wenn sie übertragbar ist. Unübertragbar ist eine Forderung allerdings, wenn der Gläubigerwechsel den Inhalt der Leistung ändern würde. Darunter fällt auch eine zweckgebundene Forderung, weil der Verwendungszweck einer Forderung zum Inhalt der zu erbringenden Leistung gehört. Zu den nur im Rahmen ihrer Zweckbindung pfändbaren Forderungen können auch staatliche Subventionszahlungen gehören.

Einordnung der Corona-Soforthilfe

Nach diesen Grundsätzen stuft der BFH die Corona-Soforthilfe aufgrund der für sie geltenden Bestimmungen als zweckgebunden ein. Zur Beurteilung der Zweckbindung der Corona-Soforthilfe können die Programme des Bundes und der Länder oder andere Bestimmungen herangezogen werden. Ausweislich des Bescheids und der zugrundeliegenden Programme des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen dient die Corona-Soforthilfe, bei der es sich um eine Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung ohne Rechtsanspruch handelt, der Abmilderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Sie soll insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 01.03.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken. Ausdrücklich nicht umfasst sind nach dem Bescheid vor dem 01.03.2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe. Aus den Bestimmungen zur Beihilfegewährung ergibt sich zudem, dass die Corona-Soforthilfe jedenfalls nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen dient, die vor dem 01.03.2020 entstanden sind, sondern nur solchen, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind. Die Mittel sind zur Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben vorgesehen, wobei die Entscheidung darüber, welche Ausgaben damit getätigt werden und in welcher Reihenfolge damit Forderungen erfüllt werden, nach den Förderbestimmungen allein dem Empfänger der Soforthilfe obliegt, der eine zweckentsprechende Verwendung später auch zu verantworten hat. Vor diesem Hintergrund hält es der BFH jedenfalls bei summarischer Prüfung im Ergebnis für zutreffend, dass das FG den Anspruch auf Soforthilfe i.S.d. § 851 Abs. 1 ZPO aufgrund der Zweckbindung als nicht übertragbar und damit unpfändbar angesehen und diesen Gedanken auch auf die bereits ausgezahlten Mittel übertragen hat.

Diese Zweckbindung entfiele nach Auffassung des BFH auch nicht (rückwirkend), wenn dem A mangels Vorliegens der Beihilfevoraussetzungen diese Beihilfe nicht zustünde und er sie zurückzahlen müsste. Diese Prüfung obliegt im Nachhinein dem Beihilfegeber entsprechend den Nebenbestimmungen nach Einreichung eines Verwendungsnachweises.

Jedoch kann eine Forderung trotz ihrer Zweckgebundenheit pfändbar sein, wenn sie durch die Vollstreckungsmaßnahme ihrer Zweckbestimmung zugeführt werden soll. Im Besprechungsfall ist das FA jedoch nicht als sogenannter Anlassgläubiger anzusehen, dem die Vollstreckung gestattet gewesen wäre. Denn die Corona-Soforthilfe soll zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona Pandemie ausgelösten Liquiditätsengpässe dienen. Der Pfändungs- und Einziehungsverfügung lagen jedoch Umsatzsteuerforderungen des Jahres 2015 einschließlich Nebenansprüchen zugrunde. Deshalb besteht kein Zusammenhang zu der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Liquiditätskrise des A.

Weil A ohne die Corona-Soforthilfe die laufenden Kosten seines Geschäftsbetriebs nicht befriedigen konnte, war es nach Ansicht des BFH auch gerechtfertigt, eine entsprechende Anordnung vorzunehmen und im einstweiligen Rechtsschutz zu entscheiden. Zudem hielt der BFH insbesondere die Anordnung an das FA für rechtmäßig, den bereits gutgeschriebenen Betrag zurückzuüberweisen, da es sich dabei nicht um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache handelt.

Praxishinweis

Der BFH hat für die Soforthilfe, die nach dem Programm in Nordrhein-Westfalen ausgezahlt wurde, gut begründet entschieden, dass diese nicht pfändbar ist. Da die Bundesländer inhaltsgleiche Programme aufgelegt haben, ist davon auszugehen, dass diese Entscheidung auch für die Soforthilfe-Programme der anderen Bundesländer gilt. In der Sache selbst ist zu begrüßen, dass die Soforthilfe als unpfändbar eingestuft wird, denn anders dürfte der Sinn der Soforthilfe auch nicht zu erreichen sein.

 

RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

Rechtsprechung

  • BFH Beschluss VII S 23/20 (AdV) v. 9. 7. 2020